Samstag, 2. Juli 2011

Meisterwerke des "Geschmacks"

Eine Achillessehnenoperation hat mich die letzten Wochen zu Untätigkeit gezwungen, weshalb ich endlose Tage auf meiner Couch verbrachte und dabei einige spannende Stunden vor meinem Televisionsgerät erlebte. Unter anderem folgende Vorher-Nacher-Verwandlung einer jungen Frau.
(Bitte entschuldigt die Qualität der Bilder. Ich habe die Wiederholung der Sendung aufgenommen und daraus Screenshots angefertigt.)


Links oben das Original, rechts das Outfit, mit dem die Kandidatin nach Hause entlassen wurde. Ich bin fast von der Couch gerollt vor Fassungslosigkeit. Konnte man dem Mädel keinen besseren BH verpassen als diese Hängematte? Unten der besonders grausame Vergleich mit einer Dekopuppe. Höhenunterschied der Brustpunkte ca. 15 cm.


Aber es ging noch besser. Von diesem Kleid meinte die Stylistin, es modelliere "eine weibliche Silhouette" und könne in Kombination mit einem Blazer "ein wunderschönes Outfit .... für eine Hochzeit" sein. Vermutlich, weil die Trägerin auf keinen Fall der Braut die Schau stielt....


Sind das nicht unglaubliche Proportionen? Der Busen hängt in der Taille und zum Ausgleich verlängert der kurze Ausschnitt den Abstand vom Hals zur Brust? So teilt die Brustlinie den Oberkörper nicht in der Hälfte, sondern im unteren Viertel. Man kann sich nur die Augen reiben vor Verwunderung. Aber eigentlich hätte man schon Schlimmes vermuten können, denn mangelnde Passform stört die Stylistin nicht einmal bei ihren eigenen Klamotten:


Seit wann eigentlich lassen sich Frauen mit solch schlechter Qualität abspeisen? Sollten wir nicht viiiiiel wählerischer sein?

3 Kommentare:

  1. Hallo eboli,

    habe zuerst deinen BH-Artikel gelesen (fand ich interessant), aber mein Kommentar passt besser zu diesem Artikel. Es geht nämlich um die Passform! Wie erkenne ich die richtige Passform? Worauf muss ich achten? Ich weiß es nicht und bin jedesmal enttäuscht, wenn ein genähtes Kleidungsstück nicht so ist, wie ich es mir vorgestellt hatte. Leider ist es ja so, dass man hauptsächlich schlecht sitzende Kleidung sieht. Für mich sind aufspringende Blusenknöpfe ein schlichtes No-Go, dicht gefolgt von riesen Speckrollen, die aus einer 38-Jeanshose quellen. Diese Paßformmängel erkenne ich auch. Nur wie ist es mit dem Sitz der Schulter bei Blazern? Wie weit geht die Schulter über den Schulterpunkt? Wie weit muss die Taillenweite sein, um von einer guten Passform (schreibt man dieses Pass mit doppel s oder mit scharfen ß?) zu sprechen? Wie ist es mit der Weite im Rücken? Wenn es eng anliegt, ist die Bequemlichkeit gefährdet. Wenn genügend Bequemlichkeit vorhanden ist, schlägt es im Rücken Falten.
    Ach, du siehst, ich quäle mich mit diesen Fragen. Leider bin ich des Englischen nicht so richtig mächtig und verstehe die guten Bücher aus Amerika nicht. Die Bebilderung hilft zwar weiter, aber mit dem Fachvokabular hapert es. Weißt du, ob es gleichwertige Literatur in Deutschland gibt? So wie "Fit for real peoples"?

    Ja, eboli, das war jetzt viel Text. Aber aus deinen Kommentaren (Hobbyschneiderin) lese ich großes Sachwissen, dass leider ab und zu verkannt wird. Ich liebe die hohe Schneiderkunst und möchte gern dazu lernen und am liebsten von denen, die es können.

    Liebe Grüsse
    Martina

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  2. Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.

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  3. Liebe Martina,

    danke für Deinen Kommentar, mit dem Du mir das Thema für ein kommendes Posting geschenkt hast! (Da müsste jetzt ein Emoticon mit Daumen nach oben hin, aber diese Funktion gibt es hier leider nicht.)
    Deine Fragen zeigen schon einen fortgeschrittenen Blick. Nicht wahr, da wird man immer anspruchsvoller.
    "Fit for Real People" kenne ich nicht, aber Du kannst leider davon ausgehen, dass es nichts Entsprechendes auf Deutsch gibt. Da haben uns die Amis eine lange Tradition an DIY voraus, während hier noch die Handwerksinnung eifersüchtig über ihr Knowhow gewacht haben. Vielleicht findest Du irgendwo das Buch "Der klassische Schnitt" aus dem Time Life Verlag. Das ist ein übersetztes amerikanisches Buch über die klassische Anfertigung von Sakkos und Hosen, in dem es mehr als 20 Seiten über Passformprobleme und Schnittanpassungen gibt.
    Deine Detailfragen zielen aber eigentlich auf das Eingemacht, die Schnittkonstruktion. Die Taillenweite bei Röcken und Hosen ist da am einfachsten: gemessene TW plus ein paar cm Bequemlichkeitszugabe. So weit Du es wünschst, ohne dass die Teile durchsacken. Die Schulterbreite kommt bei Sakkos meiner Erfahrung nach am besten mit ca. 1,5 bis 2cm "Überstand", halt so weit, dass die Breite des Oberams abgedeckt ist. Alle anderen modischen Spielereien sind natürlich möglich, aber die Mühe nicht wert, weil sie so eine deutliche Jahreszahl tragen. Und wenn Du Dir die Arbeit mit einem klassischen Sakko machst, möchtest Du doch lange Freude daran haben. Stimmt's?
    Ein interessantes Thema ist die Rückenbreite, also der Abstand der Armlöcher im Rücken. Die klassischen Schnittkonstruktionsbücher empfehlen für Sakkos eine geringe Mehrweite von 0,5 bis 1 cm, denn die Bewegungsweite kommt nicht aus dem Rücken, sondern von der sogenannten Rollfalte am Ärmel. Das heißt, der Ärmel muss so konstruiert und verarbeitet werden, dass er an der hinteren Ärmelnaht "anrollt", also sich in einer unauffälligen Falte über das Rückenteil legt, solange der Arm hängt. Wenn man seitlich oder nach vorne greift, "streckt" sich diese Falte und ermöglicht die Bewegung, ohne dass sich sofort tiefe Falten in den Oberarm eingraben. Kommerzielle Schnitte haben zu schmal gezeichnete Ärmelkugeln, die sich zwar leicht anhalten lassen, aber genau diese Rollfalte eben nicht ermöglichen.
    Vielleicht noch eine interessante Beobachtung: wenn ein Schnitt den tatsächlichen Körperkonturen wirklich folgt, dann kann man mit einer relativ geringen Bewegungszugabe arbeiten und das Kleidungsstück ist in Sitz, Aussehen und Bequemlichkeit jedem Massenschnitt meilenweit überlegen. Tolle Sache und der Mühe wert, sich weiterzubilden.

    Liebe Grüße
    eboli

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