Montag, 2. Januar 2012

Körpertypen

Sie hätte meine Kunst, ehrlich gesagt, nicht benötigt: die Venus von Milo. Dieser Glücklichen wären all die wunderbaren Marken offen gestanden, die uns Normalsterblichen verschlossen sind, weil sie für einen sehr eingeschränkten Größenbereich produzieren: Aubade, La Perla und vor allem Agent Provocateur, meine großen Vorbilder.


Wer aber das Pech hat, wie Artemisia Gentilleschis Danae auszusehen, für diejenige sind Probleme beim BH-Kauf vorprogrammiert. Zwar passen die Körbchen der Industrie-BHs einzeln genommen, aber sie sind zu eng aneinander platziert. Zwischen den Mädels wird zu wenig Platz gelassen und die Bügel bohren sich daher ins Brustgewebe.
Albrecht Dürers Eva hingegen könnte durchaus Industrie-BHs tragen - solange sie sich nicht bewegt. Schon bei ganz alltäglichen Bewegungen werden ihr allerdings die Träger von den abfallenden Schultern sehr schnell herunterrutschen, weshalb für sie die Trägerführung geändert werden muss.
Die Anatomie der Karyatiden aus dem Großen Musikvereinssaal in Wien dürfte zwar der Fantasie des Bildhauers entsprungen sein, kann aber heutezutage mittels Brustimplantaten durchaus Realität werden (auf der Homepage des Musikvereins in einer noch besseren Perspektive zu sehen). Körbchen D oder größer und sehr hoch sitzende Brustpitzen? Kein Thema für die Industrie.
Schließlich Artemisisa Gentilleschi höchstpersönlich. Ein wunderbar voller Busen. der hier von einem Schnürleibchen oder Korsett gestützt wird. Aber wer trägt schon im Alltag Korsett? Größere Bequemlichkeit gibt ein BH, und seine Erfindung wurde auch tatsächlich als gesundheitlich und gesellschaftliche Befreiung gefeiert. Ab Größe 90 und Cup D schaut es mit dem industriellen Angebot jedoch traurig aus.
Ich muss es daher ganz deutlich aussprechen: die Industrie fabriziert ganz wunderbare Dessous für Frauen mit idealisierten Körpern. Aber wer es wagt, von diesem Ideal abzuweichen, hat zur Strafe meistens nur mehr die Wahl zwischen zwickenden, langweiligen oder hässlichen BHs. 
Zeit also umzudenken. Nicht der Körper muss der Kleidung angepasst werden (wie von Elsa Schiaparelli gefordert), sondern  die Kleidung dem Körper. Zeit also für Maßkleidung und Dessous nach Maß.




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