Sonntag, 22. Mai 2011

Schnitt und Material

Dreimal derselbe Schnitt, drei verschiedene Materialien und zwei Anlässe zur Selbstkritik. Beginnen wir mit einem Bilderrätsel: welcher dieser drei BHs sitzt am besten?

 Links eine Nettigkeit aus perlweißem Lycra mit rostroter Elastikspitze, rechts auberginefarbener Elastik mit rosenholz-farbener Textronikspitze, unten champagner- farbener Miederstoff mit Tüllspitze.

Naaaa? Richtig: es ist der champagnerfarbene (seufz, die Kamera.....).
Bei dem rot-weißen BH bilden sich seitliche Zugfalten und bei dem auberginefarbenen erscheinen Querfalten in der Mitte, nur der champagnerfarbene sitzt makellos. Oder in den Worten der Trägerin: man spürt ihn überhaupt nicht. Ein schöneres Kompliment gibt es nicht für eine Dessousmacherin.

Diese Freundin kostete mich einiges Kopfzerbrechen, weil ihre Maße völlig von der industriellen Norm abweichen. Sie hat breite Schultern, einen breiten Brustansatz, aber eine relativ geringe Oberweite. Seit Jahren/Jahrzehnten findet sie keinen passenden Kauf-BH und behilft sich damit, dass sie aus einem Nahtlos-BH von Intimissimi sofort nach dem Kauf den Bügel entfernt. Beim Gedanken an einen Bügel-BH kriegt sie verständlicherweise sofort die Panik. Daher bin ich mächtig stolz darauf, dass ich ihr doch noch einen Schnitt konstruieren konnte, der passt und eine wirklich süße Oberweite zaubert. Mit Bügel.

Neu war für mich die Erfahrung, dass auch ein gut sitzender Schnitt unter Umständen noch einmal angepasst werden muss, wenn man andere Stoff- oder Gummiqualitäten nimmt. Liebe M., danke für Deine Geduld. Zum nächsten Geburstag gibt es noch bessere Ergebnisse.




Übrigens: ist es nicht eine nette Idee, so einen schönen Spitzenträger unter einer Bluse ordentlich durchblitzen zu lassen?

Montag, 16. Mai 2011

Herzeigen oder verhüllen?

Kleidung für Mollige gibt es in zwei Denkschulen: entweder in Wallawalla verhüllen oder mutig die Kurven zeigen. Hmm, schwer zu erraten, was ich bevorzuge......?

Wallawalla sieht ja recht hübsch aus an der deutschsprachigen Durchschnittsgröße 42 (links; Dank auch an Stylist, Fotograph und Fotoshop von Ulla Popken), aber wehe, wenn wirklich mollige Frauen diese Entwürfe tragen. Der reinste Büßerstil in Sack und Asche.
Aber Säcke sind natürlich einfach zu produzieren, weil da ohnehin niemand  eine gute Passform erwartet. Und zu gradieren sind sie ja auch noch so einfach.

Da lobe ich mir alle körperbetonten Kleidungsstile angefangen vom Dirndl über Maßkostüme bis zu den großen Galaroben, wie sie die afroamerikanischen und die Latinadiven so wunderbar vorführen. Und schaut mal, was für einen Unterschied maßgefertigte Kleidung samt Drunter macht:

Links die übliche Ballschönheit im Bustierkleid von der Stange. Zeigen Sie eine typische Handbewegung. Wetten, das ist das Hochziehen des verrutschten Bustiers? Überrascht auch nicht wirklich, weil dieses Kleid nur an der Hüfte Halt findet. Die Oberweite ist weder abgeformt noch gehoben, die Unterbrustweite und die Taille sitzen überhaupt nicht und bilden daher diese Ziehharmonika-falten. Dafür haben sich trotz ausgestellten Rocks Plissees in der Leiste gebildet. Das muss man mal zusammenbringen.

Leuchtendes Gegenbeispiel dazu rechts America Ferrera ("Ugly Betty"). Perfekt auf Körper gearbeitetes Bustier mit entsprechendem Innenleben. Ich schätze mal, das sind eine Tüllkorsage für den Halt im Oberteil und formende Unterwäsche für Taille, Hüfte und Oberschenkel. Nicht dass sie es aus Gewichtsgründen nötig hätte, aber so eine Schicht glättet und idealisiert die Konturen. Well done, Miss Ferrera!